„Luzern sehen und…”

„Luzern sehen und…”

Meine Eindrücke als Wettkampfrichterin vom Weltcup in Luzern 

Als mich unser „Chef” Rolf Warnke fragte, welche internationalen Regatten ich zur Vorbereitung auf die FISA-Lizensierung besuchen möchte, sagte ich: „Ooch, Luzern wäre mal schön.” Ich ahnte ja nicht, dass das klappen würde und was diese Einladung bedeutet. Das realisierte ich spätestens, als ich nach Ankunft an der einmaligen Regattastrecke von Kollegen verschiedener Herkunft gefragt wurde, wie ich denn an diesen Job gekommen bin…

Der Rotsee hat seinen Beinamen „Göttersee” wahrlich verdient. Eingebettet in sanfte bewaldete Hügel finden die Ruderer überwiegend hervorragende und faire Bedingungen vor. Da der See in einem Naturschutzgebiet liegt, finden dort jährlich nur maximal zwei Regatten statt – die Schweizer Meisterschaften und der III. Weltcup bzw. in 2019 die Europameisterschaften. An den restlichen etwa 360 Tagen des Jahres existiert keine Regattastrecke, dürfen keine Motorboote den Rotsee befahren und die Ruderer aus den verschiedenen Luzerner Klubs rudern auf dem Vierwaldstätter See und den anderen herrlichen Gewässern Luzerns. Wie sich auf den zweiten Blick herausstellte, ist das für die Regattaorganisation genutzte Gebäude eine Schule, in der gleich am Montag nach dem Weltcup der Unterricht weiterging.

Dementsprechend hart wurden die gelegentlichen Umweltsünden der Sportler bestraft – einen Flaschenwurf in die Uferbegrünung ahndete ich zum Beispiel mit einer „yellow card” bzw. Verwarnung. Sonst wirkte sich die wunderschöne Umgebung auch auf die Stimmung der Ruderer, Trainer und des gesamten Stabs aus; alle machten trotz des anstehenden Weltcup-Finales einen entspannten und erwartungsvollen Eindruck. Die Zusammenarbeit zwischen den FISA-lizensierten internationalen (ITO) und den nationalen Wettkampfrichtern (NTO) sowie den Organisatoren, Helfern und der FISA-Jury war harmonisch und effektiv. Oft war zwischen den internationalen und nationalen Kollegen kein Unterschied auszumachen – bis auf die dunkelblau-gelb gestreifte Krawatte. Die Nationalitäten reichten von Australien über Israel und Italien bis nach Thailand, Großbritannien, Polen, Frankreich, Belgien und Canada usw. Selbst die Motorbootfahrer kamen aus Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland eingeflogen. Viele Kollegen nehmen an dem von der FISA organisierten Austauschprogramm teil, wodurch interessierte Wettkampfrichter internationale Regattaluft in den Niederlanden, der Schweiz, Frankreich usw. schnuppern und etwas über den Tellerrand hinaus gucken können. Insofern ist die Risikobereitschaft vieler unserer nationalen Wettkampfrichter noch etwas ausbaufähig.

Der Einsatztag dauerte jeweils von 08.00 Uhr bis 17.30 Uhr an, begann mit einer gemeinsamen Besprechung, geleitet vom President de Jury Régis Joly, und endete immer mit einem toll gestalteten Abendessen. Freitags gab es das traditionelle „Risotto-Essen” am Ufer des Rotsees, wobei „Die Ehemaligen” in roter Tracht in überdimensionalen Töpfen rührten und uns dann ein überaus wohlschmeckendes Risotto servierten. Da alle internationalen und nationalen Wettkampfrichter gemeinsam in einem Hotel untergebracht waren, ließen wir jeweils den Tag dort in gemütlicher Runde ausklingen.

Das Highlight war selbstverständlich das Nations-Dinner, zu dem der Veranstalter „Lucerne Regatta” in das „Schweizer Verkehrshaus” lud, vergleichbar mit dem Berliner Technik-Museum, nur in mehrfacher Ausdehnung. Doch trotz des formellen Anlasses genossen auch dort alle Gäste in gelöster Stimmung sowohl das Ambiente als auch die Bewirtung. Die mit Film-Einspielungen in Kinoleinwand-Format untermalten Reden des FISA-Präsidenten, des Regatta-Chefs und des Repräsentanten der Stadt Luzern waren kurzweilig und fanden ihren Höhepunkt in der Auszeichnung des neuseeländischen Zweier ohne (Eric Murray und Hamish Bond) mit der Thomas-Keller-Medaille. Das Komitee hatte sich zuvor die Mühe gemacht, die internationalen Erfolge der Mannschaft zu zählen und kam auf 69 internationale Titel. Die beiden Sportler sind nur für die Verleihung angereist, hieran kann man die Bedeutung dieser Auszeichnung bemessen. Da uns die Nutzung der Flugsimulatoren gestattet war, klang der Abend für manche etwas turbulent aus; die Fotos von den erleichtert gelandeten Fluggästen haben jedenfalls Seltenheitswert.

Ich bekam an dem gesamten Wochenende einen Einblick in die Wettkampfrichtertätigkeit auf beinahe allen Positionen, auch die Beteiligung an Zielfotoentscheidungen war dabei. Interessant war das „Zonal Umpiring”, wobei die sechs Schiedsrichter an der Strecke verteilt das Rennen passieren lassen, hinter ihm in die Streckenmitte einfahren und dort stehend das Rennen beobachten, bevor sie wieder die Strecke verlassen und auf das nächste Rennen warten. Am Sonntag stand für mich noch einmal „Marshall Warm Up” und „Control Commission Incoming” auf dem Programm, jeweils Positionen, auf denen man unmittelbaren Kontakt zu den Sportlern hat. Meinen letzten Dienst übte ich an Mahe Drysdale aus, den ich mit seinem – nach dem Unfall in München ersetzten – Einer zur Bootswaage begleiten konnte. Seine Begeisterung hielt sich nach dem Resultat im Finale in Grenzen, aber was muss, das muss.

Ein Muss ist auf jeden Fall der Besuch der Regattastrecke in Luzern und auch die wunderschöne Stadt Luzern muss man gesehen haben. Für mich wird es sicher nicht bei dieser einmaligen Erfahrung bleiben. Und dass die deutschen Athleten bei dem Weltcup noch so erfolgreich abgeschnitten haben, war das Sahnehäubchen des Wochenendes. Mit dem vierten Platz von Hans Gruhne im Doppelvierer der Männer, dem dritten Platz von Fini Sturm im leichten Frauen-Doppelvierer und dem Sieg von Max Röger im leichten Männer-Doppelvierer hatte das Land Brandenburg hieran ebenso seinen Anteil, auch wenn Max Röger inzwischen für die RG Wiking startet.

„Luzern sehen und – wiederkommen muss es heißen!”

Ulrike Hartmann

Admin

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